Die Frage nach idealem Pferdeheu beschäftigt beinahe jeden Pferdehalter und -besitzer, denn der Wunsch nach gesundem Pferdeheu ist gross und nötig, weil es immer mehr Pferde gibt die gesundheitlich unter den Auswirkungen von ungeeignetem Heu leiden.
Wir sind uns sicher alle einig, gutes Pferdeheu sollte unter Anderem hygienisch einwandfrei sein und keine Giftpflanzen enthalten. Der Schnittzeitpunkt, die Ernte, die Konservierung und Lagerung sollte unter grösster Sorgfalt geschehen. Viel weniger Beachtung findet jedoch die Frage: Aus WAS besteht den gutes Pferdeheu? Was ist da eigentlich drin? Gras? Aber Gras ist nicht gleich Gras! Die meisten Texte, Empfehlungen usw. nehmen darauf keinen bis wenig Bezug, denn es ist ein sehr komplexes Thema, welches durch viele verschiedene Einflüsse beeinflusst wird.
Traditionelle Heuwiesen
Traditionelle Heuwiesen, frühere Dauerwiesen, waren sehr artenreich (z.b Fromentalwiesen). Neben einer Vielzahl von Süss-und Sauergräser sowie Binsen, wuchsen verschiedenste Kräuter in ihnen. Eine artenreiche Wiese kann bis über 40 Arten beherbergen. Durch die verschiedenartigen Gräser und Pflanzen mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsstadien sorgten sie für eine langandauernde Nutzungselstizität, also einen ausgedehnten Zeitraum in dem der ideale Schnittzeitpunkt gewählt werden konnte.
Die Bewirtschaftung dieser Heuwiesen war nachhaltig, sodass die Gräser und Pflanzen absamen konnten und die Samenbank des Bodens stets gefüllt war. Gedüngt wurden diese Wiesen meistens durch anfallende Hinterlassenschaften der Weidetiere im Spätsommer bis Herbst. Heute sind diese Wiesen in den tieferen Lagen der Schweiz bis auf unter 1% der ehemaligen Ausdehnung verschwunden und somit vom Aussterben bedroht!
Das Zittergras - nicht mehr häufig anzutreffen, war in früheren Heuwiesen aber weit verbreitet.
Was ist passiert? Intensivierung der Landwirtschaft
Die Milchleistung heutiger Kühe ist um ein vielfaches mehr, als die Milchleistung von den Kühen früher. Die heutige Kuh, die braucht potentes Gras um diese Leistung zu erbringen, während die Kuh früher mit genügsamerem Energiegehalt ihre Leistung erbrachte. Die Milch- und Fleischwirtschaft ist gewachsen, eine Intensivierung der Landwirtschaft hat stattgefunden. Das bedeutet, dass die traditionellen Heuwiesen dem Ackerbau und den Fruchtfolgeflächen mit Wirtschaftsgräsern weichen musste. Leider hat man erst zu spät die Qualität und den Stellenwert von alten, artenreichen Wiesen erkannt und möchte diese wieder fördern. Denn sie sind unersetzlich in einem funktionierenden Ökosystem, sie sind der Lebensraum zahlreicher Pflanzen- und Tierarten und tragen massgeblich zur Biodiversität und einer intakten Natur bei, welche wiederrum für unser leibliches Wohl sorgt. Zum Schutz und zur Förderung dieser Lebensräume sind unter anderem die sogenannten staatlich subventionierten "Ökoflächen" entstanden, die die Landwirte bewirtschaften.
Aber was hat das mit Pferdeheu zu tun? Hohe Zuckergehalte im Heu und Gräsergifte
Das heute gewonnene Heu ist in den allermeisten Fällen zu energiereich (Zuckergehalte) für Pferde, denn es ist mehrheitlich auf die Bedürfnisse einer Hochleistungskuh und damit auf Wirtschaftlichkeit zugeschnitten. Der Zuckergehalt von Pferdeheu sollte nicht über 10 % liegen, besser darunter, aber tatsächlich sind Werte über 10 – 20 % keine Seltenheit.
Es gibt aber weitere Gründe die den Zuckergehalt von Heu massgeblich beeinflussen, neben Wetterbedingungen, Schnittzeitpunkt, Schnitthöhe, Bodenbeschaffenheit und Düngung spielt die Gräserzusammensetzung eine zentrale Rolle. Aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaft sind einige der heute wichtigsten Wirtschaftsgräser die Weidelgräser (Raigras) und einige Schwingelsorten. Mit diesen Gräsern, allem voran mit den Weidelgräser (Raigras), wurde umfangreich gezüchtet. Dabei war vor allem das Zuchtziel «Hochzuckergräser» (HZG) von grosser Bedeutung, also möglichst potentes Gras für die Milchkühe und das Mastvieh. Die Weidelgräser (Raigras) und einige der Schwingelsorten zeichnen sich aus durch hohe Energiewerte (Zuckergehalt), sind sehr Widerstandsfähig und ertragen eine intensive Nutzung. Beide Gräserarten leben gerne in Gemeinschaft mit Pilzen, die völlig unsichtbar, innerhalb des Graskörpers wachsen, sogenannte Endophyten. Diese Symbiosen verhelfen diesen Gräsern zu besonderen Fähigkeiten. Die Gräser können dann manchmal auf ärmsten Böden und unter grosser Dürre wachsen, sie können unempfindlich gegen Schädlingsbefall werden oder gegen Überweidung. Endophyten machen Pflanzen widerstandsfähiger. Leider ist diese Pilzsymbiose für Weidetiere kein Vorteil, denn manche dieser Pilzsymbionten produzieren Gifte, die in kleinsten Spuren für Tiere gefährlich sein können. Ist der Besatz infiziert, hat das gewonnene Heu zwar eine deutlich geringere Konzentration an Endophytengiften als frisches Gras, trotzdem müssen wir uns fragen, wollen wir wirklich als Futtergrundlage Gräser und Saatgut verwenden das möglicherweise mit giftigen Endophyten infiziert ist?
Fachleute argumentieren es gäbe in Europa keine Probleme mit den Giften resistenter Gräser, es würde kein infiziertes Saatgut verwendet werden. Studien belegen sehr wohl die Möglichkeit dessen:
«Vergiftungen von Weidetieren beispielsweise durch Lolitrem B und dem Mutterkorn-Alkaloid Ergovalin sind in den USA, Neuseeland und Australien schon lange bekannt. Für unsere Pferde kann der Zusammenschluss zwischen Pilz und Pflanze ebenfalls gefährlich werden, weiß Johannes Reinholz, der an der Universität Paderborn eine Doktorarbeit zu diesem Thema verfasst hat: „Die Ergebnisse der Freilandversuche zeigten, dass es in Deutschland zum Auftreten der Weidetiererkrankung ,ryegrass staggers‘ kommen kann. Die Lolitrem-B-Gehalte einzelner Parzellen lagen oberhalb der toxischen Dosis von 2000 μg/kg“.» Johannes Reinholz , 2000
Das macht nachdenklich, vor allem wenn man sich gängige sogenannte "Pferdeheu" und "Pferdeweide" Mischungen der hiesigen (Schweiz) Saatgutproduzenten ansieht. Es fällt recht schnell auf, dass alle Mischungen zu mindestens 50% oder mehr aus Weidelgräser (Raigras) und Schwingelsorten bestehen, neben dem die Mischungen artenarm sind. Zudem wie bereits erwähnt, ist gerade das Weidelgras (Raigras) sehr zuckerreich und zu energiereiches Heu und die Folgen (Hufrehe, Fettleibigkeit, Soffwechselstörungen u.s.w) die viele Pferde dadurch erleiden sind heute weit verbreitet.
Und aus was für Gräser und Pflanzen besteht nun optimales Pferdeheu?
Gutes Pferdeheu besteht idealerweise aus vielen verschiedenen Gräsern und Kräutern. Bei der folgenden Empfehlung von möglichen Sorten für eine Mischung orientiere ich mich an den Angaben aus dem Heft "Pferd und Heu", welches der Verband für Freizeitreiter Deutschland (VFD) in Zusammenarbeit mit der Biologin Frau Dr. Vanselow herausgegeben hat. Ich kann das Heft sowie sämtliche Bücher und Texte von Frau Dr. Vanselow nur empfehlen.
Gut geeignet sind:
Wiesenlieschgras
Knaulgras
Wiesenfuchsschwanz
Glatthafer
Zittergras
Wolliges Honiggras
Kammgras
Wiesenrispe (in geringer Menge)
Rotes Straussgras
Weisses Straussgras
Grosses Straussgras
Geknieter Fuchsschwanz
Flutender Schwaden
Blaugrüner Schwaden
Goldhafer (bei weniger als 30% Bestandsanteil)
Wiesenschwingel in seiner Wildform!
Schafschwingel
Rotschwingel
Ruchgras (nur in geringer Menge)
Der Kleegehalt sollte nicht über 30% liegen.
Geeignete Kräuter sind:
Spitzwegerich
Löwenzahn
Wilde Möhre
Acker-Witwenblume
Wiesen-Pippau
Wiesen-Bocksbart
Wiesen-Knöterich
Kohl-Distel
Rotklee
Hornklee
Schafgarbe
Schafgarbe
Bestehende Wiesen aufwerten und Heu aus Ökoflächen
Falls also bereits eine Dauerwiese besteht, welche durch extensive Bewirtschaftung aufgewertet wird, empfiehlt es sich nicht diese Fläche neu anzulegen, sondern durch verschiedene Methoden weiterhin aufzuwerten (z.B. Streifensaat). In welchem Fall es sinnvoller ist eine Fläche neu anzusäen, wird am besten mit Fachleuten aus der Umwelt/Ökologieberatung beurteilt.
Dauerwiesen die diesem Schema entsprechen sind die sogenannten "Ökoflächen" aus der Landwirtschaft. Ökoflächen sind direktzahlungsberechtigte Fördermassnahme des Bundes von extensiven, artenreichen Wiesen in der Landwirtschaft. Diese sind gebunden an bestimmte Auflagen, die aber kantonal unterschiedlich sein können. In vielen Kantonen sind die Schnittzeitpunkte fix und dürfen nicht vor Mitte Juni gemacht werden. Dies bedeutet aber je nach Wetter, Standort und vorallem Dichte des Bestandes, dass einige Flächen bereits im Unterwuchs stehend angefault sein können und somit nicht mehr geeignet sind für Pferdeheu. Wie bereits erwähnt, ist dabei die Dichte des Grasbestandes ein massgeblicher Einflussfaktor. In früheren Zeiten war es aber nicht unüblich bestimmte Bestände erst im Juli zu mähen, da man keine technische Hilfsmittel hatte um viel Heu auf einmal zu mähen und man sehr wetterabhängig war. Mir sind jedoch keine Stimmen bekannt, die von gehäuften Fällen von Atemswegserkrankungen der Pferde durch verpilztes Heu berichten. Da aber damals die Dauerwiesen viel extensiver bewirtschaftet wurden und dadurch weniger überdüngt waren, waren diese auch nicht dermassen dicht im Bestand. Möchte ich also etwas an der Dichte des Grasbestandes ändern, würde ich versuchen diese zu beeinflussen durch extensivere Bewirtschaftung, d.h keine Düngung oder nur durch Hinterlassenschaften der Weidetiere und das Einbringen gezielter Arten (z.b über Streifensaat).
Im Kanton Bern kann der Schnittzeitpunkt flexibel gewählt werden und es ist somit erlaubt früher zu mähen (z.b bevor es im Unterwuchs fault). Es empfiehlt sich aber der Qualität der Wiese und der Natur zuliebe, nicht jedes Jahr vor mitte Juni zu mähen und ggf. kann das Heu dann nicht mehr an Pferde verfüttert werden. Ökoheu geniesst einen schlechten Ruf, ohne die genauen Zusammenhänge und Umstände zu kennen, das ist schade! Unter Berücksichtigung bestimmter Umstände ist dieses Heu die ideale Futtergrundlage, dient der Biodiversität und ist unbedingt zu fördern.
Witwenblume - Sie findet auch auf einzelnen Ökoflächen endlich wieder Einzug
Eine artenreiche Heuwiese neu anlegen
Falls eine Fläche neu angelegt wird, muss die passende Artenzusammenstellung in der Regel gezielt eingebracht werden. Die Wahl der richtigen Saatmethode, der richtigen standortangepassten Mischung, des richtigen Zeitpunktes und die Abstimmung auf die Standortverhältnisse sind entscheidend, damit der gewünschte Wiesenbestand sich einstellt und sich auch langfristig halten kann. Zur Verwendung kommen sollte Wildsaatgut idealerweise aus lokalen oder regionalen Herkünften, um eine genetische Verfälschung der heimischen Flora zu verhindern. Denn eine grosse Zahl verschiedener Pflanzenarten hat sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte an das lokal unterschiedliche Klima, an die Bodenverhältnisse, die Höhenlage und die Exposition angepasst. Um lokales Saatgut verwenden zu können empfiehlt sich eine Direktbegrünung. Bei der Direktbegrünung wird das Schnittgut oder die Samen einer artenreichen Spenderfläche geerntet und direkt auf eine Empfängerfläche übertragen.
Will man eine Mischung aus dem Handel verwenden, wird man bei Saatgut im Bereich der sogenannten "Biodiversitätsförderflächen, Ökoflächen" fündig. Dort finden sich standortunterschiedliche Mischungen der Bezeichnung "artenreiche Heuwiese".
Lokales Saatgut sollte den regionalen Standartmischungen vorgezogen werden, denn die Eignung von Saatgut nimmt mit zunehmender Entfernung zwischen Einsatzort und Herkunftsregion ab.
Wenn das Heu nicht von artenreichen Wiesen stammt, von wo kommt es dann? Fruchtfolgeflächen und nötige Kompromisse
Das Heu stammt entweder von einer Dauerwiese oder von einer Kunstwiese in der Fruchtfolge. Während die Dauerwiesen über mehrere Jahre ohne Neuansaat genutzt werden, wird die Kunstwiese üblicherweise max. vier Jahre futterbaulich genutzt und macht nach dieser Zeit Ackerkulturen, wie zum Beispiel Getreide oder Mais, platz.
Dies dürfte klarstellen weshalb Heu aus solchen Flächen nicht vergleichbar ist mit Heu aus einer langjährigen, artenreichen Dauerwiese. Die gewünschten Gräser und Kräuter, vor allem in grosser Vielfalt, stellt sich nicht in so kurzer Zeit ein.
Das extra beworbene "Pferdeheu" ist eine Saatgutmischung die von verschiedenen Saatgutfirmen vertrieben wird, die sich mehr oder weniger in der Zusammensetzung gleicht, und wie bereits erwähnt sich zu 50% aus Weidelgräser und Schwingelsorten zusammensetzt. Es ist davon auszugehen, dass diese Mischung oft als Kunstwiese in der Fruchtfolge angesät wird.
Trotz intensiver Recherche und persönlichen Gesprächen mit Saatguthersteller haben wir kaum Alternativen gefunden.
Und warum wird Pferdeheu nicht hauptsächlich aus hochqualitativen, artenreichen Dauerwiesen gewonnen?
An dieser Stelle würde ich mich als Leser fragen warum den überhaupt Pferdeheu aus Fruchtfolgeflächen gewonnen wird und nicht hauptsächlich aus Dauerwiesen bzw. warum man als Produzent nicht einfach nur Dauerwiesen anlegt, welche man zu artenreichen, gesunden Heuwiesen pflegt.
Eine artenreiche Heuwiese setzt einen nicht überdüngten Boden vorraus, das heisst auf solchen Heuwiesen kommt fast keine Düngung in Frage bzw. nur extensiv - höchstens durch weidende Tiere oder wenig intensiv - Mist- oder Kompostdüngung. Doch die Düngerbilanz eines jeden grösseren Landwirtschaftsbetriebes schreibt vor, wieviel Landwirtschaftsfläche intensiv bewirtschaftet werden muss. Diese Notwendigkeit besteht, denn der anfallende Mist bzw. Gülle der Nutztiere muss irgendwo wieder ausgebracht werden. Da wir hierzulande einen Ernährungsstil pflegen der aus hohen Anteilen von Fleisch, Milch- und Eierprodukten besteht, halten wir mehr hochleistungs Nutztiere als für die Natur gut wäre. Dieser Lebensstil hat desaströse Auswirkungen auf unsere Natur, unsere Lebensgrundlage und im entfernten Sinne leider auch auf die Futtergrundlage unserer Pferde. Mit einer bewussten Ernährung, zu einem grossen Anteil pflanzenbasiert, könnten wir unsere Natur wieder zurück ins Gleichgewicht bringen (siehe Links unten)!
Und wie produzieren wir, Pferdepension Waltwil, unser Heu?
Mit diesem Wissen, wie wertvoll eine artenreiche Heuwiese ist, möchten wir natürlich alle unsere Ökoflächen aufwerten und daraus gutes Pferdeheu produzieren. Wir sind auch bestrebt weitere Flächen mit Dauerwiesen anzulegen, nur limitiert uns unsere Düngerbilanz zurzeit auch noch.
Daher gewinnen auch wir aktuell unser Heu noch zu einem Teil aus den Fruchtfolgeflächen. Wir wollten deshalb unbedingt eine Saatgutmischung finden die unserer Meinung nach, einen besseren Kompromiss darstellt als die gängigen "Pferdeheu" Mischungen. Trotz einigen Gesprächen mit verschiedenen Saatguthersteller und dem hinweisen auf die Problematik mit dem hohen Weidelgrasanteil (Raigras), konnten wir kaum eine befriedigende Alternative finden. Daher haben wir letztes Jahr eine Fläche mit einer Mischung angesät die man oftmals verwendet um eine extensiv bewirtschaftete Fläche neu anzusäen (UFA 450).
Dieses Jahr sind wir nun fündig geworden bei einer kleinen Tierfutter Firma, Eric Schweizer, diese führt eine Mischung die zwar einen Weidelgras (Raigras) und Schwingelsorten Anteil aufweist, aber dieser ist kleiner als bei anderen Mischungen und daher bis jetzt der bestmögliche Kompromiss (Berner Grasmischung 4).
Da wir unser Heu jeweils analysieren lassen, werden wir wieder darüber berichten, was wir für Erfahrungen damit machen.
Zum Schluss...
Möchte ich ein Video teilen, welches ich letztes Jahr im Eriz gemacht habe. Es zeigt eine sehr artenreiche Wiese, wie man sie nur noch selten sieht! Kein Vergleich zu den "Grünen Wüsten" wie sie heute verbreitet sind.
Weiterführende Informationen/Links: